Das Hohtannenhaus

Auf dem Waldschlag des Döbraberges, den die Forstverwaltung "Hohe Tanne" nennt, stand ehedem ein großes Bauernzeug. Der letzte Besitzer und seine Frau waren gottlose Leute, die hielten es mit dem Teufel. Der warf ihnen Geld durch den Rauchschlot ins Haus, so viel sie nur wünschten.

Auch mit den Schrezelein standen sie anfangs auf gutem Fuße, so dass sie ihnen halfen, wo sie nur konnten. So mehrte sich der Reichtum der Hohtannenleute und mit ihm ihre Hoffart. Im Übermute des Wohllebens verdarben sie es mit den Schrezelein, indem sie ihnen einen Schabernack nach dem anderen antaten. Dafür aber rächten sich die Schrezelein fürchterlich. Sie spielten den Bauersleuten allerlei Possen, verdarben ihnen die Saat auf den Feldern, das Gras auf den Wiesen, Heu, Streu und Körner in der Scheune, Rüben und Kartoffeln im Keller, das Vieh in der Ställen. Alle Mühe und Arbeit war von nun an vergeblich, Zank und Streit herrschten im Hause, und die Dienstboten zogen ab. Mit den Nachbarn waren die vom Hohtannenhof verfeindet.

In ihrem Missmut entzweiten sie sich auch noch mit dem Teufel. Statt dass er ihnen Geld in Schlot warf, setzte er ihnen den roten Hahn aufs Dach. Das ganze Anwesen wurde ein Raub der Flammen.

Obwohl der Hohtannenbauer mit allen Landwirten im Umkreis des Döbra spinnefeind war, unterstützten sie ihn beim Wiederaufbau seines Hofes, was sich allerdings infolge aller möglichen Widerwärtigkeiten und Unfälle lange hinauszog. Schließlich hatte sich der Bauer doch ein kleines Anwesen geschaffen, das er mit seiner Frau und höchstens noch einer Magd bewirtschaften konnte. Doch auch auf diesem kleinen Hof ruhte kein Segen. Die Bauersleute kamen immer mehr herunter.

Eines Abends musste der Bauer noch nach Naila. Wie die Bäuerin und die Magd zu Bett gegangen waren, kamen die Schrezelein nach ihrer Gewohnheit, um des Tages Arbeit in ein Nichts zu verwandeln. Sie gingen zuerst in die Kammer der Magd, der sie gewogen waren, weil sie ihnen, wenn es etwas besonderes zu essen gab, ein wenig davon unter die Scheune stellte. Der Magd erzählten sie im Traum: "Seit unvordenklichen Zeiten liegt im Berg ein goldener Hirsch vergraben. Das Kind wird ihn finden, welches in der Wiege heranwächst, die aus dem mittelsten Brett der längsten der drei Tannen hinter dem Hofe gefertigt ist."

Nun huschten die Schrezelein in das Schlafzimmer der Herrschaft und vollführten dort einen derartigen Unfug, dass die Frau vor Schrecken starb. Weil sie aber früher immer gut zu den Hausgeistern gewesen war, zimmerten diese alsbald einen schönen Sarg, betteten die Tote hinein und verschwanden.

Der Hohtannenbauer hatte sein Vorhaben in Naila nicht erledigen können. Als er spät nach Mitternacht vergrämt die Schlafstube betrat, glaubte er bei dem sich ihm bietenden Anblick in den Erdboden versinken zu müssen. Nun war hier seines Bleibens nicht mehr. Er wollte das Gütlein unter allen Umständen los sein. Aber nicht einmal geschenkt hätten es die Leute gemocht, so verrufen war es wegen der bösen Geister.

Endlich kaufte das Hohtannenhaus die Forstbehörde. Weil niemand darinnen wohnen mochte, ließ sie die Gebäulichkeiten abbrechen und den Platz aufforsten. Der Hohtannenbauer zog mit dem kleinen Erlös aus dem Anwesen in die Fremde, um dort sein Glück zu suchen. Ob er es fand, hat niemand erfahren.

Eine Quelle, Mauersteine und ein Ahornbaum gemahnten noch lange an des Hohtannenhaus. Aber noch heute hat man nicht gerne in dieser Waldabteilung zu schaffen. "Da ist´s nicht geheuer", sagen die Leute.

Eines Tages sammelte eine arme Webersfrau frühmorgens Leseholz in der Gegend. Da wanderten auf der Fuhr drei junge Mädchen in hellen, fliegenden Kleidern vorüber und sangen die Verse: "Freut euch des Lebens, Leut! Seid stets zum Tod bereit!" Und dies dreimal hintereinander.

Die Frau sann über den Sinn dieser Verse nach und verfolgte die Mädchen mit den Augen. Da versanken sie urplötzlich im Boden. Neugierig lief die Webersfrau an die Stelle, doch konnte sie keine Veränderung am Wege wahrnehmen. Nur ein helles Bändchen lag dort, das sie mit nach Hause nahm und zum Andenken in ihr Gebetbuch legte.

Von da an kehrte das Glück bei der Webersfamilie ein. Der frühere arme Handweber konnte jedem seiner vielen Kinder ein eigenes Haus mit einer reichen Ausstattung geben.