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Vom Bauerndörflein zum Arbeiterdorf

mitgeteilt von Hans Hartmann
in "Unsere Heimat", Heimatkundliche Beilage der "Nailaer Zeitung", Nr. 3, 5. März 1963

Das Dorf Döbra dürfte zwischen 1350 und 1400 gegründet worden sein, als sich die Herren von Radeck in Rodeck ein festes Schloß, das Castrum Radekke, erbauten, und sie oder ihre Nachfolger den Wald rodeten und Siedlungen anlegten. Das Dorf, das seinen Namen von dem Döbrabach erhalten hat, wird erstmals 1401 im Lehenbuch des Nürnberger Burggrafen Johann III. urkundlich genannt: "Heinze Eberhardt zu Weitersgrün unter dem Schawenstein hat empfangen drew tagwerk wisen, gelegen zu Nidern malensreuth unter Döbrey und acht morgen äckers ibidem. Actum zum Hofe, fer. II. Lucie anno 1401".

Nach Akten des Staatsarchivs Bamberg und anderen Unterlagen ist es möglich festzustellen, wie das Dorf allmählich gewachsen ist. Die ältesten Höfe und Häuser liegen in der Mitte des Dorfes., d.h. um und unterhalb der im 15. Jahrhundert gebauten Kirche. Bis zum vorigen Jahrhundert war der mittlere Teil des Dorfes bebaut.

Das untere Dorf, früher Anger genannt, wurde erst gegen Ende des 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts bebaut. Noch später entstand das obere Dorf, die Meilerstatt, im Volksmund Meierstatt genannt. Hier befand sich auf einer Wiese ein Meiler, wo die Köhler ihre Holzkohlen brannten. Die Häuser der oberen, mittleren und unteren Siedlung sind die jüngsten. Sie wurden erst nach den beiden Weltkriegen errichtet.

1491 zählte Döbra sieben ganze Höfe, die den Kern des Dorfes bildeten. Über die sieben Höfe, Stammhöfe, Urhöfe, Vollbauernhöfe ist Döbra als Ansiedlung und Wohngebiet der Bauern kaum hinausgewachsen. Schon um diese zeit war der größte Teil des Waldes gerodet, der in der Ausbauperiode, etwa bis vor dem Dreißigjährigen Kriege, noch vollends zurückgedrängt wurde, so daß sich nunmehr keine neuen Höfe mehr bilden konnten. Etwa seit dem Dreißigjährigen Kriege ergab sich auch die zwingende Notwendigkeit im Hinblick auf die schwere Arbeit mit den primitiven Geräten kleinere Betriebseinheiten zu schaffen. Auch die Grundherren, in Döbra der Bamberger Bischof, begrüßten diese Maßnahmen, weil sie sich bei solchen Besitzveränderungen höhere Einkünfte versprachen. Die Lehensleute mußten nämlich in der damaligen Zeit bei jeder Besitzänderung (Tod, Heirat, Verkauf, Tausch, Teilung eines Hofes) eine Geldabgabe an den Grundherrn leisten, das Handlohn, das gewöhnlich ein Zehntel des Schätzwertes betrug. Die ganzen Höfe wurden geteilt und es entstanden Halb-, auch Dreiviertel- und Viertelhöfe. Es hat sich also die Zahl der Teilhöfe vermehrt. Ihre Summe aber ergibt immer wieder sieben bzw. siebeneinhalb Höfe. Die ursprünglich sieben ganze Höfe waren:

1. Hof Hs. Nr. 2 und 3        
2. Hof Hs. Nr. 5 und 6         
3. Hof Hs. Nr. 8 und 9
4. Hof Hs. Nr. 17 und 18    
5. Hof Hs. Nr. 19 und 20    
6. Hof Hs. Nr. 27 und 29
7. Hof Hs. Nr. 32 und 33

Wie sich das Dorf im Laufe der Jahrhunderte vergrößerte, zeigen folgende Angaben:

1505: 7 ganze Höfe, 1 Selde (auch Sölde, d.i. ein kleineres Bauernanwesen, Hs. Nr. 1), 1 Schenkstatt (Auch Erbschenke mit Zapfengerechtigkeit genannt, Hs. Nr. 24) = 9 Anwesen.
1566: 7 ganze Höfe, 1 Selde, 1 Schenkstatt = 9 Anwesen.
1593: 7 ganze Höfe, 1 Söldengut, 1 Schenkstatt, 1 Häuslein uff der gemein (= Tropfhaus) = 10 Häuser.
1609: 7 ganze Höfe, 1 Söldengut, 1 Schenkstatt, 1 Häuslein uff der gemein = 10 Häuser.
1653: 3 ganze Höfe, 8 halbe Höfe = 7 ganze Höfe, 1 Erbschenke = 12 Häuser. Von 1609 bis 1653 wurden 4 ganze Höfe in halbe Höfe geteilt: Georg Hübner, jetzt Hs. Nr. 2 und 3; Hans Schubert, jetzt Hs. Nr. 19 und 20; Hannß Haueyßen und Hannß Hübner, jetzt Hs. Nr. 32 und 33. Aus dem ganzen Hof Hs. Nr. 29 wurde ein halber Hof (Hs. Nr. 27 erscheint noch nicht) und aus dem Söldengut (Hs. Nr. 1 ebenfalls ein halber Hof.
1696: 3 ganze Höfe, 8 halbe Höfe = 7 ganze Höfe, 1 Söldengütlein (Hs. Nr. 23), 1 halbes Söldengütlein (Hs. Nr. 24 = Zapfenschenke), 1 Tropfhäuslein = 14 Häuser. Erstmals erscheint Hs. Nr. 23, das alte Pfarrhaus, das die Gemeinde 1594 für den eigenmächtig nach Döbra berufenen Pfarrer Hilpert erbaute. Hilpert fiel der Gegenreformation zum Opfer. Nach seiner Vertreibung wurde das Haus vermietet und später verkauft. 1696 befand es sich im Besitz des Hannß Heinrich Dill. Er war der letzte Bergknappe auf der St. Bernhardszeche bei Rodeck, im Volksmund "die Wäsch" genannt.
1715: 2 ganze Höfe, 11 halbe Höfe = 7 1/2 Höfe, 1 Seldengütlein, 2 Tropfhäuser = 16 Häuser. Von 1696 bis 1715 wurde der Hof Hannß Haueyßen geteilt, jetzt Hs. Nr. 8 und 9. Die Zapfenschenke Hs. Nr. 24 wird als halber Hof bezeichnet, daher erhöht sich die Zahl der Höfe auf 7 1/2.
1743: 1 ganzer Hof, 12 halbe Höfe = 7 ganze Höfe, 2 Söldengüter (Hs. Nr. 23 und erstmals Hs. Nr. 27), 1 Schenkstatt, 4 Tropfhäuser = 20 Häuser. Von 1715 bis 1743 wurde der ganze Hof Heinrich Haueysen geteilt, jetzt Hs. Nr. 17 und 18.
1763: 14 halbe Höfe, 1 Viertelhof (Hs. Nr. 20) = 7 1/2 Höfe (die Erbschenke Hs. Nr. 24 wird wieder als halber Hof bezeichnet), 2 Söldengüter, 7 Tropfhäuser = 24 Häuser. Von 1743 bis 1763 wurde der letzte ganze Hof geteilt: Hannß Förtsch, jetzt hs. Nr. 5 und 6. 1763 ist der Schmied Adam Peetz Eigentümer des Söldengutes Hs. Nr. 23. Er und seine Nachfolger waren bis 1803 Schultheißen und Steuereinnehmer in Döbra. Die Familie Peetz gehört zu den ältesten ortsansässigen Bauern, die ihr Anwesen seit 200 Jahren bis heute bewirtschaften. Auch die Familie Hager, Hs. Nr. 9, war ein altes Döbraer Bauerngeschlecht, das viele Jahre die Bürgermeister stellte. Mit dem Ableben des unverheirateten Heinrich Hager 1958 erlosch das Geschlecht, das den Hof seit 1761 inne hatte.
1771: 14 halbe Höfe, 1 Viertelhof = 7 1/2 Höfe, 2 Söldengüter, 8 Tropfhäuser = 25 Häuser.
1785: 1 Dreiviertelhof (Hs. Nr. 19), 13 halbe Höfe, 1 Viertelhof = 7 1/2 Höfe, 2 Söldengütlein, 13 Tropfhäuser = 30 Häuser.
1813: 1 Dreiviertelhof (Hs. Nr. 19) 12 halbe Höfe (Hs. Nr. 2, 3, 5, 6, 8, 9, 17, 18, 27, 29, 32, 33), 1 Viertelhof (Hs. Nr. 20) = 7 ganze Höfe, 3 Söldengüter (Hs. Nr. 1, 23, 24 = Erbschenke), 14 Tropfhäuser, 2 halbe Tropfhäuser, 1 Schulhaus = 34 Häuser.

Von 1813 bis 1850 wurden außer dem Pfarrhaus noch 8 Häuser von Hauswebern und Handwerkern errichtet. 1850 zählte der Ort 43 Häuser.

Um diese Zeit herrschte in Döbra ein spürbarer Wohnungsmangel. Die Gemeinde war eine der ärmsten des Landkreises und nicht in der Lage eigene Wohnungen zu erstellen, ebenso war es wegen der schlechten Verdienstmöglichkeiten nur wenigen Einwohnern möglich, eigene Häuser zu bauen. Um den Wohnungsmangel einigermaßen zu beseitigen, richtete die Gemeinde ein Gesuch an den bayerischen König mit der Bitte um eine Geldspende zum Bau von Wohnhäusern. Sie bekam 4000 Gulden. Mit der Spende wurden 1864 die fünf Gemeindehäuser errichtet, die sich seitdem im Besitz der Gemeinde befinden, heute aber an die Mieter verkauft wurden.

Bei dem großen Brand 1867 wurden neben der Kirche und dem Schulhaus 19 Höfe und Häuser mit allen Nebengebäuden eingeäschert und zwar Hs. Nr. 1, 2, 3, 4, 6, 12, 13, 21, 22, 23, 24, 27, 28, 29, 31, 33, 35, und 36. Sämtliche Häuser, auch die Kirche und das Schulhaus, wurden in den nächsten Jahren wieder aufgebaut.

Von 1870 bis 1928 entstanden noch etwa 30 Häuser, so daß Döbra 1928 79 Häuser zählte. 1961 gab es 111 Wohnhäuser.

Unser Ort war am Anfang seiner Geschichte ein reines Bauerndörflein mit sieben Urhöfen, die im Laufe der Zeit geteilt wurden und deren Teilhöfe sich bis zum vorigen Jahrhundert erhalten haben.

Von den 12 halben Höfen i.J. 1813 werden heute 5 nicht mehr als landwirtschaftliche Betreibe verwendet: Hs. Nr. 2, 17, 18, 32, und 33. Hs. Nr. 2 ist ein Wohnhaus und wird von dem Fabrikweber Hans Hoffmann bewohnt. Die beiden halben Höfe Nr. 17 und 18 standen am Heidengrüner Weg und wurden abgebrochen. Auf dem Gelände des Hauses Nr. 17 befindet sich heute zum Teil das Wohnhaus Nr. 107 des Webmeisters Georg Hohenberger und auf dem Grundstück des Hofes Nr. 18 steht das Wohnhaus, ebenfalls mit Nr. 18, des Fabrikwebers Georg Weber. Hs. Nr. 32 ist der gewerbliche Betrieb des Metzgermeisters Friedrich Saalfrank, und auf dem Gelände des ehemaligen halben Hofes Nr. 33 wurde 1920 der Webereibetrieb Hagen errichtet, der 1948/49 durch einen Anbau erweitert und heute nochmals vergrößert wurde.

Auch der ehemalige Dreiviertelhof Nr. 19 (August Krögel) ist kein Bauernhof mehr; er gilt als Mehrfamilienhaus.

Wegen der geringen eigenen bewirtschafteten Flächen kann man auch die ehemaligen halben Höfe Nr. 3 (Karl Frisch) und Nr. 5 (Adam Baderschneider) sowie den Viertelhof Nr. 20 (Christian Hager) nicht mehr als ausgesprochene Bauernhöfe bezeichnen.

Verschwunden ist das Söldengütlein Nr. 1. Es ist der gewerbliche Betrieb des Bäckermeisters Hans Krögel.  Auch das Söldengut mit Schenkgerechtigkeit, die alte Erbschenke Nr. 24 (Alma Meister), ist kein landwirtschaftlicher Betrieb mehr.

Von den 17 landwirtschaftlichen Betrieben v.J. 1813 konnten sich nur 6 erhalten: Nr. 6 Hans Baderschneider, Nr. 8 August Synderhauf, Nr. 9 Fritz Schmidt, Nr. 23 Wilhelm Peetz, Nr. 27 Friedrich Peetz und Nr. 29 Christian Peetz.

Kurz vor dem ersten Weltkrieg ist ein neuer Bauernhof entstanden. Hs. Nr. 11 (Witwe Schmidt Johanna), ein ehemaliges Tropfhaus, wurde durch Kauf von Grundstücken in einen landwirtschaftlichen Betrieb umgewandelt.

Aus all dem ist ersichtlich, daß von dem reinen Bauerndorf nicht mehr viel übrig geblieben ist. Der Schwund setzt im vorigen Jahrhundert ein. Verschiedene Gründe wirkten zusammen, daß manche Bauernhöfe eingingen.

Ein Grund ist in den schlechten wirtschaftlichen und klimatischen Verhältnissen zu suchen. Der karge Boden, das rauhe Klima und die mühsame Arbeit mit den einfachen Ackergeräten gestatteten schon früher keinen rationellen Betrieb. Im Lehenbuch des Kastenamts Stadtsteinach v.J. 1696, das erstmals die Flurnamen Döbras nennt, lesen wir, wie schwer sich unsere Bauern bei ihrer Arbeit taten. Manche Felder konnten überhaupt nicht bearbeitet werden. Sie lagen jahrelang öd und brach, weil sie "nichts nutz" oder "zum bauen nicht tauglich" waren.Andere versprachen "wegen geringen Erdbodens" keinen Ertrag und wurden "nur zur Huth genossen." Wieder andere waren "mit Büschen beflogen", mit "Wacholderstauden bewachsen" oder vollständig "verprombt", d.i. mit Brombeergestrüpp bedeckt. So konnten unsere Bauern schon in normalen Jahren trotz größten Fleißes nur wenig bauen. Waren aber die Witterungsverhältnisse ungünstig, kam eine Mißernte oder ein Hagelschlag, so wurden sie oft um den Erfolg ihrer Arbeit gebracht. Deswegen sahen sie sich schon immer nach einem Nebenerwerb um. Viele Bauern waren zugleich Schmiede, Schneider, Schuhmacher oder übten ein anderes Gewerbe aus. Trotzdem kamen sie nicht vorwärts. Die meisten verschuldeten und waren genötigt, Grundstücke zu veräußern oder gar den Bauernhof zu verkaufen, um ihre Schulden abtragen zu können. Auch das Wirtshaus bedeutete für manchen Bauern eine große Versuchung, besonders für solche, die nicht richtig wirtschafteten oder die unter schwierigen familiären Verhältnissen lebten, es sei nur an die große Kinderzahl erinnert. So war es kein Wunder, daß sie immer mehr verschuldeten und oft auch in ihrer Gutgläubigkeit gerissenen Gütermaklern in die Hände fielen, denen sie auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Es war eine Tragödie, die sich bei unseren Bauern abspielte. Man kann von einem Sterben alter Bauernhöfe und alter Bauerngeschlechter sprechen, nicht nur in Döbra, auch in Thron, Pillmersreuth und in Rodeck, wenn auch nicht in dem Ausmaß. Dagegen konnten sich die Bauernhöfe in Schönwald und Poppengrün von ihren Uranfängen in ununterbrochener Folge bis zum heutigen Tag erhalten.

Letzten Endes war es aber die Industrie, die bei uns wie in den anderen Orten auch die Struktur unseres Dorfes änderte, so daß Döbra allmählich ein anderes Gesicht bekam. Mit dem Einzug der Industrie suchten Bauern, die nicht mehr vorwärts kamen, eine andere Verdienstmöglichkeit. Sie fanden sie zunächst in der Hausindustrie. Manche Bauern wurden Hausweber und betreiben die Landwirtschaft nur mehr nebenberuflich. Später, als auch in unserer Gegend die ersten Fabriken entstanden, gaben sie die Landwirtschaft ganz auf, verließen den Pflug, wanderten in die Industrie ab und wurden Industriearbeiter.

Das war ein Vorgang, der sich gut nachweisen läßt. Der letzte ganze Hof wurde zwischen 1743 und 1763 geteilt. Nun wurden auch keine Teilhöfe mehr errichtet. Es vermehrte sich nicht mehr die Zahl der Höfe, abgesehen von dem Hof, der erst vor dem ersten Weltkrieg entstand. Geändert hat sich nur die Größe der Höfe.

Die Häuser, die nach 1763 gebaut wurden, waren keine Bauernhäuser mehr, sondern Wohnhäuser für Handwerker, Hausweber, Gewerbetreibende und noch später für Industriearbeiter.
1763 gab es unter den 24 Häusern nur 7 = etwa 1/3, die keinen Bauern gehörten.
1813 gehörten von 34 Häusern 17 Nichtbauern = die Hälfte.
1850 gehörten von 43 Häusern 29 Nichtbauern = etwa 2/3.
1961 sind von 111 Häusern 104 nicht im Besitz von Bauern.

Aus dem reinen Bauerndörflein wurde allmählich ein Arbeiterdorf. Die Umschichtung begann bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, schritt in der zweiten Hälfte weiter, erreichte im 20. Jahrhundert einen Höhepunkt und ist heute noch nicht abgeschlossen. Wie weit die Entwicklung führt, vermag niemand zu sagen.


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